Freunde


Freunde kann man sich bekanntlich aussuchen. Jedem steht es frei sich mit den Menschen zu umgeben, die einem sympathisch sind und mit denen man die gleiche Wellenlänge hat. Allerdings gilt das nur bedingt, am Golfplatz zeigt sich wie strapazierfähig eine Freundschaft in Wirklichkeit ist.

Als wir begannen mit dem Golfsport war Monika, meine Gattin, mit ihrer Kollegin, Brigitte, befreundet. Brigitte war gerade dabei sich mit Hanspeter zu verehelichen. Hanspeter, ein netter Kerl, ist Schweizer. Bekanntlich sind Schweizer sehr auf Präzision bedacht, was sich in ihrer florierenden Uhrenindustrie manifestiert. Das sich der Drang nach Perfektion auf alle Lebensbereiche ausdehnte wurde mir sehr schnell bewusst.

Zeitgleich mit uns begann Brigitte und Hanspeter Golf zu erlernen. So kam es, dass wir uns mehr oder weniger zufällig ständig auf dem Golfplatz trafen.

Hanspeter war besessen davon seine Schläge mit der größtmöglichen Perfektion auszuführen. So standen wir gemeinsam auf der Drivingrange und übten unentwegt den Ball zum Fliegen zu bringen. Das heißt, mein Ball wollte nicht so richtig. Hanspeters Bälle flogen flach weg und stiegen im letzten Drittel ihrer Flugbahn steil auf. Wie machte er das nur?

Je länger wir beisammen waren desto unheimlicher wurden mir seine Fortschritte. Warum stiegen meine Bälle nicht?

Nach wenigen Wochen, wir gingen gerade eine lockere Neunlochrunde, bat mich Hanspeter mein Sechsereisen ausprobieren zu dürfen. Der Grund dafür war, dass ich mit Stahlschäften spielte, er hingegen mit Graphitschäften. „Bei meinem kraftvollen Schwung ist wahrscheinlich ein Schaft aus Stahl besser geeignet!“.

Natürlich ließ ich ihn versuchen. Hanspeter spielte nacheinander drei Bälle mit meinem Sechsereisen. Als wir zu den Bällen gingen lagen alle drei in einem Umkreis von fünf Meter am fairway. Allmählich breitete sich Frust in mir aus. Wie, um alles in der Welt, schafft er das? Noch dazu lagen die drei Bälle in einer Entfernung, die ich erst mit dem dritten Schlag erreichte.

Irgendetwas stimmte hier nicht. Wir hatten den gleichen Pro, hatten zur gleichen Zeit begonnen und am Material konnte es auch nicht liegen. War ich so ungeschickt oder er so ein Talent?

Nicht etwa, das mich so niedrige Gefühle wie etwa Neid beschlichen hätten. Nicht, das ich mich darüber ärgerte selbst nicht so weit so schlagen. Nicht, das mir seine wohlgemeinten Ratschläge langsam aber sicher auf den Nerv gingen. Nein, das war alles nicht der Fall. Vielmehr suchte ich nach einer Begründung dafür, weshalb der Unterschied zwischen uns so eklatant zu Tage trat.

Irgendwie war es ein komisches Gefühl, wenn wir auf der Range übten, Hanspeter mir Ratschläge gab und andere Golfer dachten, dass ich meinen eigenen Pro mitgebracht hätte. „Was zahlst du ihm? Der ist gut!“.

Langsam aber sicher wurde mir Hanspeter unheimlich. Am augenscheinlichsten trat der Unterschied zwischen uns beiden auf einer Neunlochrunde zu Tage. Während ich mich über ein Ergebnis unter sechzig Schlägen freute, ärgerte er sich über einen Score von mehr als vierzig. „Die spinnen, die Schweizer“, würde Obelix attestieren.

Hanspeter schlug wie ein Schweizer Uhrwerk. Wahrscheinlich übte er heimlich, dieser Schlingel. Wahrscheinlich war ihm sein Spiel komplett egal und er wollte mich nur deprimieren.

Eines Tages, wir standen wie üblich auf der Range, freute sich Hanspeter wie ein kleines Kind. „Schau, schau, ich zeige dir was“, sprach´s und schlug seinen Ball mit dem Driver quer über die Drivingrange hinten in den Wald. Das mussten mehr als zweihundertfünfzig Meter gewesen sein.

„Joiii, schau wie der abgeht“. Ich blickte mich verstohlen um, um irgendwo einen Spaten zu finden um meine Schläger zu vergraben. Nichts!

„Wow, schon wieder über die Bäume“. Es war auch kein Teich zu sehen um meine Schläger zu versenken.

„Der fährt aber ab, hoffentlich ist hinter den Bäumen niemand“. Irgendwie war mir jetzt nach einem schönen starken Kaffee zumute.

Im Clubhaus traf ich Monika und Brigitte. „Dein Mann schießt hinter der Range über die Bäume“. Brigitte lächelte, „Ja, das Gefühl für den Ball hat er wahrscheinlich vom Minigolf. Schließlich ist er Schweizer Staatsmeister.“ Das war es also!

Diese Worte waren eine unsagbare Erleichterung für mich. Minigolf Staatsmeister! Klar, dass er kein Problem damit hatte den Ball jedes Mal zu treffen.

Ich wusste es doch von Anfang an, an mir kann es auf keinen Fall liegen.



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