Die bucklige Welt


Es ist schön wochentags eine entspannte Golfrunde zu gehen. Es ist schöner, wenn man dies während der Arbeitszeit tun kann. Es ist am schönsten, wenn man dazu auch noch eingeladen wird.

So ereilte mich der Ruf ein nicht handicap wirksames Turnier in der Buckligen Welt, im Golfeldorado, zu spielen. Natürlich bereitete ich mich mental gründlich darauf vor. In Zeiten des Internets kann man sich schließlich jeden Golfplatz genau ansehen. Dadurch lässt sich eine Rundenstrategie ableiten. Als ich im Auto saß, wusste ich genau wie ich welches Loch spielen würde. Eigentlich war es schade, dass das Turnier nicht handicap wirksam war. So, wie sich mir die Löcher darboten wäre es ein Leichtes zum ersten Mal kräftig runter zu schreiben. Aber, was soll’s, dazu werde ich noch genug Gelegenheit haben.

Angekommen im Golfeldorado begab ich mich schnurstracks in das Clubhaus um einen ordentlichen Kaffee zu genießen, schließlich war ich tags zuvor am Abend auf der Range, also wozu noch einschlagen. Alle freuten sich darauf diesen Platz spielen zu dürfen, irgendwie musste er etwas besonderes sein. „Einzigartiges Erlebnis!“, stand im Internet. Wahrscheinlich ein Marketinggag. Kennt man ja! Komisch, dass so viele darauf hereinfielen.

It´s Tee Time! Also auf zum ersten Abschlag. Ja, wo ist er denn? Neben dem Clubhaus zeigte ein Pfeil schräg nach oben, „Tee 1“. Oho, hier ist es ein bisschen hügelig, zumindest am Start. Der erste Abschlag lag zirka dreißig Meter höher als das Grün, dahinter waren Bäume. Viele Bäume. Zu viele Bäume! Irgendwie fehlte offensichtlich im Internet das Höhenprofil. Mein Ball wurde von den Bäumen magisch angezogen. Hoffentlich habe ich genug Bälle mit, schoss es mir durch den Kopf.

Der Ausgleich dazu fand sich in den folgenden Löchern. Einmal war der Abschlag um etwa hundert Meter höher als das Grün, einmal war dies umgekehrt. Aber immer waren die fairways auch noch schräg. So schräg, das man zusehen konnte wie der Ball zweihundert Meter nach unten links rollte, um dann in einem Bach zu verschwinden. Langsam begann ich zu begreifen, was „einzigartiges Erlebnis“ zu bedeuten hatte.

Je mehr Löcher hinter mir lagen, desto abenteuerlicher war jeweils das Nächste. Bei fast keinem Abschlag konnte man das Grün erblicken. Zum ersten Mal in meinem Golferleben sah ich beim Abschlag eine Eieruhr. „Nach Abschlag auf 10 Minuten einstellen! Nicht vor Ablauf neu abschlagen!“ Diese Sicherheitsmaßnahme war dazu da, um den vorderen Flight nicht zu gefährden. Sehen konnte man ihn ja nicht.

Die Platztopologie trug wesentlich zur Flüssigkeitsaufnahme bei. Noch nie war mir so bewusst wie schwer meine Ausrüstung eigentlich war. Vor einem der letzten Löcher musste man sogar Serpentinen erklimmen um zum Abschlag zu gelangen. Ein schweißtreibender Kurs, aber lustig.

Einen besonderen Beitrag zur Erheiterung trug der Umstand bei, dass außer den Abschlägen kein einziger Schlag durchgeführt werden konnte, bei dem der Ball auf gleicher Ebene mit den Füssen war. Meine Arme waren dem entsprechend entweder zu kurz oder zu lange. Meine Schläge waren entweder Probeschwünge, über dem Ball, oder ich schlug ein Divot bei dem jeder Maulwurf vor Neid erblassen würde.

Zu allem Überfluss war massenhaft Rough vorhanden, welches immer hinter uneinsehbaren Senken oder Hügeln lauerte. War mal gerade kein Rough in Sicht, so wurde dies von Bächen oder Tümpeln würdig vertreten. Meine Ballbilanz war katastrophal ins Minus gerutscht. Bis zu diesem Tag hatte ich noch nie mehr als zehn Bälle auf einer Runde verschossen.

Doch, es ging nicht nur mir so. Kein einziger, der Teilnehmer spielte auch nur annähernd sein Handicap. Es gibt doch noch Gerechtigkeit, dieser Platz lässt den Unterschied zwischen Handicap zwanzig und fünfundvierzig auf lächerliche Kommastellen schrumpfen. Oder, aber es hatten alle Teilnehmer einen schlechten Tag.

Beim abschließenden Essen hatten alle das Gefühl eine extreme Bergwanderung gemacht zu haben. Da soll noch einmal einer sagen, dass Golfen wie spazieren gehen sei.

Diesen Platz werde ich sicher erst wieder aufsuchen, wenn ich besser spielen kann. Jedoch werde ich einen Anfänger mitnehmen, damit der dann auch sieht was Golf eigentlich bedeuten kann und sich genauso fühlt wie ich mich gefühlt habe.

Zum Glück war das Turnier nicht handicap wirksam, sonst würde mir noch meine TE-Prüfung aberkannt werden.




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