Golfer sind alle deppert


Je intensiver man sich dem Golfsport widmet, desto mehr Zeit verbringt man zwangsläufig auf dem Golfplatz.
Je mehr Zeit man auf dem Golfplatz verbringt, desto mehr unterschiedliche Charaktere lernt man kennen.
Eine logische Schlussfolgerung.

Auf einem Golfplatz lernt man allerdings seine Zeitgenossen so kennen wie sie wirklich sind, ungeschminkt. Ohne Maske, ohne eine auferlegte Rolle und ohne irgendetwas verbergen zu können, quasi psychisch nackt! Am Golfplatz können sie ihr wahres Gesicht einfach nicht verbergen. Die Annahme liegt nahe zu glauben, dass sich manche Menschen ihr Leben lang verstellen und einem fiktiven Drehbuch folgend einen sozial angepassten Charakter spielen, nur am Golfplatz dürften sie das Drehbuch in der Garderobe vergessen haben.

Einen dieser maskenlosen Mitmenschen habe ich aus nächster Nähe kennen lernen dürfen. Es war an einem sehr heißen Sonntag im August. Monika, Katharina und ich wollten den Vormittag am Golfplatz verbringen, genüsslich im hervorragenden clubeigenen Restaurant zu Mittag essen und uns nachmittags in unserem Gartenteich abkühlen und faulenzen. Ein Tag ohne große Vorhaben und Aufregungen war geplant.

Während wir auf der Drivingrange übten machte sich hinter mir ein Mann durch seine unüberhörbaren Artikulationen bemerkbar. „So ein Dreck!“. Aus den Augenwinkeln konnte ich seine Bälle fliegen sehen. Eigentlich kamen alle aus den Augenwinkeln in mein unmittelbares Blickfeld. Dieser Umstand war darin begründet, dass jeder seiner Bälle das unwiderstehliche Verlangen an den Tag legte in den rechts angrenzenden Wald zu fliegen. „Das darf doch nicht wahr sein!“. Zwischen seinen Unmutsäußerungen hörte man das scharfe Ansaugen der Atemluft durch die Vorderzähne und im Treffmoment einen Laut, der eher an ein Bodybuilding Studio, als an einen Golfplatz erinnert. „UUÄÄÄÄ!“.

Monika, die vor mir stand, drehte sich zu mir um und schmunzelte. Mit ihren Augen deutete sie mir an mich einmal umzudrehen. Katharina hatte dies ebenfalls bemerkt und begann den Abschlaglaut nachzumachen. Monika und Katharina schüttelten sich vor Lachen, beide mit dem Gesicht abgewandt von mir. Jetzt war ich auch neugierig, ich wollte die Lautquelle sehen. „UUUÄÄÄÄÄ!“. Sollte ich mich wirklich umdrehen und den armen Kerl ins Gesicht lachen? Ernst konnte ich nicht mehr bleiben. „UUUÄÄÄ-ÄÄ“. Mittlerweile amüsierten sich schon mehrere Leute über meinen Nachbarn. Diesem dürfte dies allerdings egal gewesen sein, oder er hat nicht bemerkt, dass er zur allgemeinen Erheiterung beitrug.

Um meine Neugierde so unauffällig wie möglich zu stillen, zog ich meinen Handschuh aus, rauchte mir ein genüsslich ein Zigarillo an und begab mich etwa fünf Meter nach hinten unter den überdachten Abschlag, in den kühlenden Schatten. Jetzt konnte ich mich ganz der Betrachtung der Lautquelle widmen.

Ein untersetzter Mann, etwa Mitte Fünfzig, Bag von Wilson, Trolley elekt-risch, Strohhut von Taylormade, dreiviertel Hose in Beige, gestreiftes Leib-chen, Arme etwas zu kurz, Gürtel von Bauch verdeckt, lautes Organ.

„UUUÄÄÄÄ – jetzt scheiß ich drauf!“, sprach´s und ging schnurstracks zu mir in den Schatten. Sein Eisen warf er achtlos neben sein Bag zu Boden. Anstatt zu grüßen sprach er mich unvermittelt an: „Golfer sind alle deppert!“. Ich muss wohl ziemlich verdutzt dreingeschaut haben, denn er setzte sogleich zu einer Erklärung an, „Ich wollte meine Eisen schon in der Donau versenken, aber wir sind ja wirklich zu deppert dazu. Jeder vernünftige Mensch legt sich an so einen schönen Sommertag in ein Schwimmbad. Was machen wir? Wir laufen über die Wiese und dreschen auf einen kleinen Ball, der deppert durch die Gegend fliegt.“ Ohne meine Antwort abzuwarten wendete er sich wieder seiner Trainingsstation zu, hob sein Eisen auf und schlug einen neuen Ball ins Unterholz. „UUUÄÄÄÄ!“. Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen, ähnlich erging es mehreren Golfern auf der Drivingrange.

Natürlich blieb das Gelächter nicht verborgen. Aus Wut setzte der Mann zu einem Tritt gegen sein Bag an, traf allerdings lediglich mit dem Schienbein den Akku seines Trolley, „UUÄÄÄ!“.

Möglicherweise hat er mit seiner tiefgründigen Erkenntnis über die Psyche so mancher Golfer doch ein bisschen Recht gehabt.



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